Veranstaltungsbericht

Desinformation und die COVID-19-Pandemie – Digital Conversation der Münchner Sicherheitskonferenz

Die Münchner Sicherheitskonferenz hat Expertinnen und Experten zu einer virtuellen Diskussion über die Risiken von Desinformation und die Bedeutung strategischer Kommunikation zusammengebracht. Angesichts der andauernden COVID-19-Krise waren Kernfragen der Debatte, welche politische Gefahr von gezielt gesäter Falschinformation in der Pandemie ausgeht und wie Demokratien den digitalen Raum schützen können.

Am 5. Mai 2020 richtete die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) eine Veranstaltung zum Thema Desinformation und strategische Kommunikation aus. An der virtuellen Diskussionsrunde im vertraulichen Rahmen nahmen rund 25 europäische und US-amerikanische Expertinnen und Experten aus Politik, internationalen Organisationen und Forschung teil. Damit setzte die MSC ihre Reihe der „Conversations" zur COVID-19-Pandemie fort und knüpfte zugleich an vorangegangene Diskussionen zum Thema Desinformation im Rahmen ihrer Cyber Security & Technology Series an.

Angesichts der grassierenden Falschinformationen über das Coronavirus und über die weltweit von Regierungen getroffenen Maßnahmen erklärte der Außenbeauftragte der Europäischen Union (EU), Josep Borell, im März, dass sich ein „globaler Kampf der Narrative" entfalte. Die Herausforderung für Brüssel und die europäischen Hauptstädte in diesem „Kampf" sei, „den Mehrwert Europas gegenüber einer skeptischen (und in Teilen feindseligen) Öffentlichkeit zu kommunizieren", so Wolfgang Ischinger und Boris Ruge, Vorsitzender und Vize-Vorsitzender der MSC, im Vorfeld der Veranstaltung. Es werde „jetzt eine Kommunikation benötigt, die das Prädikat strategisch tatsächlich verdient."

Unter den Teilnehmenden der MSC-Diskussionsrunde herrschte Einigkeit, dass in der Pandemie eine große Gefahr von staatlich gesteuerter Desinformation ausgehe. Diese Kampagnen würden dabei vor allem zwei Ziele verfolgen: einerseits die jeweiligen Regierungen als fähigere Krisenmanager als etwa die USA oder europäische Staaten darzustellen; andererseits die Informationslandschaft mit einer Vielzahl dubioser Informationen zu fluten, um Zweifel an der Faktenlage zum Virus zu säen. Es wurde mit Besorgnis festgestellt, dass autoritäre Staaten zunehmend ähnliche Ziele in ihrer Informationspolitik verfolgen und offenbar aus ihren Taktiken gegenseitig lernen.

Dementsprechend war ein Brennpunkt der Diskussion, wie Demokratien diesen Taktiken effektiv begegnen können. Teilnehmende warnten, dass Staaten institutionell noch immer nicht adäquat aufgestellt seien – dies gelte darüber hinaus auch für die NATO oder die EU. Zudem sei es wichtig, dass demokratische Regierungen bei der Bekämpfung von Desinformation nicht beiläufig die autoritäre Regulierung der Informationslandschaft legitimieren. Etwa Maßnahmen, die übermäßig auf das Zensieren von Inhalten zurückgreifen, würden dem autoritären Narrativ, dass Informationen generell eine Gefahrenquelle darstellen, in die Hände spielen. Über das Aufdecken und Abwehren von Desinformation hinaus sollten Initiativen auf die positive, proaktive Ausgestaltung einer demokratischen „Informationsarchitektur" abzielen. Dazu zählten Teilnehmende Internet-, Daten- und Cybersicherheits-Nomen auf nationaler und internationaler Ebene, die demokratische Werte fördern und autoritäre Eingriffe verhindern. Entscheidend sei auch die verstetigte, stärkere Kooperation zwischen Regierungen und Privatsektor, um konkret die Mechanismen, welche die Verbreitung von Desinformation auf verschiedenen Plattformen begünstigen, anzugehen.

Über die „MSC Digital Conversations"

Die MSC hat es sich zur Aufgabe gemacht, die COVID-19-Pandemie in den Mittelpunkt ihrer aktuellen Aktivitäten zu rücken. In den kommenden Wochen und Monaten wird die MSC eine Reihe hochrangiger Veranstaltungen mit dem Titel „MSC Digital Conversations" veranstalten, um die vielfältigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die internationale Sicherheit zu beleuchten und den Dialog zwischen hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft, internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen sowie dem Privatsektor zu fördern. In der Regel sind MSC Digital Conversations kleine, vertrauliche Besprechungen unter Chatham-House-Regeln. Einzelne Veranstaltungen werden jedoch für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Jeden Monat werden mehrere Digital Conversations stattfinden.

Die MSC hat sich bereits frühzeitig mit der Gefahr auseinandergesetzt, die davon ausgeht, dass sich Herausforderungen in lokalen Gesundheitssystemen zu globalen Krisen entwickeln können. Um Maßnahmen auf internationaler Ebene zu fördern, wurde gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Bill & Melinda Gates Foundation, dem Center for Strategic and International Studies, Chatham House, Merck und Johnson & Johnson der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsbehörden, NGOs, sicherheitspolitischen Expertinnen und Experten, dem Privatsektor und weiteren Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern vorangetrieben. Im Rahmen ihrer Human Security Series hat die MSC seit 2016 regelmäßig Veranstaltungen und Konferenzen zu Gesundheitsthemen organisiert. Darüber hinaus ist Health Security auch ein integraler Bestandteil der jährlichen Konferenz in München und der Munich Leaders Meetings. Zusätzlich widmet sich auch der einmal im Jahr erscheinende Munich Security Report immer wieder dem Thema Health Security.