

"Digitales Misstrauen" gefährdet transatlantische Kooperation im Technologiebereich
Staats- und Regierungschefs Europas und der USA haben eine gemeinsame Technologieagenda zu einer der wichtigsten Prioritäten für die Erneuerung der transatlantischen Partnerschaft erklärt. Eine exklusive Umfrage im Auftrag der MSC zeigt ein potenzielles Hindernis auf: ein hohes Maß an Misstrauen in Europa bei digitalen Fragen – unter EuropäerInnen selbst, aber insbesondere gegenüber den USA.
Zusammenfassung
- Fortschritte bei der gemeinsamen Technologieagenda werden sich als Lackmustest dafür erweisen, ob die amerikanisch-europäische Partnerschaft kritische Themen gemeinsam lösen kann.
- Europäische BürgerInnen machen sich Sorgen darüber, dass sie und ihre persönlichen Daten online nicht sicher sind. Wenn es um den Schutz ihrer Daten geht, misstrauen sie Regierungen und Unternehmen aus anderen europäischen Ländern, vor allem aber den Vereinigten Staaten und China.
- EuropäerInnen zeigen sich auch besorgt darüber, dass ihre Länder im Bereich der digitalen Technologien zu sehr von ausländischen Anbietern abhängig sind. Viele glauben, dass Europa im Wettbewerb um technologische Innovationen noch weiter zurückfallen wird.
- Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen sich mit den Sorgen ihrer BürgerInnen um Sicherheit und Datenschutz auseinandersetzen, sowohl auf europäischer Ebene als auch im Rahmen der transatlantischen Partnerschaft.
Im Rahmen der Special Edition der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) am 19. Februar kamen Staats- und Regierungschefs der USA und Europas zusammen, um ein starkes Signal der transatlantischen Erneuerung zu setzen. Auf der gemeinsamen Agenda unter dem Motto "build back better" ist die Zusammenarbeit im Technologiebereich einer der Schwerpunkte. Die Digitalisierung spielt im Leben der BürgerInnen und in einer Vielzahl von Politikbereichen auf beiden Seiten des Atlantiks eine immer größerer Rolle. Daraus ergibt sich der lang gehegte Wunsch der transatlantischen Partner, zukunftweisende Standards für "Digital Governance" zu setzen. Aber wie gut stehen die Vorzeichen dafür, eine europäisch-amerikanische Technologieagenda umzusetzen?
Der neue Munich Security Brief "Error 404 – Trust Not Found" soll dazu beitragen, die transatlantische Diskussion zu diesem Thema anzuregen, und zeigen, wie die europäische Öffentlichkeit es sieht. Mit der Unterstützung von Kekst CNC hat die MSC für den Bericht BürgerInnen aus sechs europäischen Ländern befragt. Unsere Umfrage zeigt, dass die Sichtweise der EuropäerInnen von Bedenken über Vertrauenswürdigkeit geprägt ist. Sie fürchten Datendiebstahl, Betrug und eine zunehmende nationale Abhängigkeit von nicht vertrauenswürdigen ausländischen Technologieunternehmen.
Dies sind drei wichtige Erkenntnisse des Munich Security Briefs:
1. Das Internet ist ein gefährlicher Ort
In den letzten fünf Jahren sind europäische BürgerInnen deutlich weniger sorglos im Umgang mit dem Internet geworden.
Data: Kekst CNC, commissioned by the Munich Security Conference. Illustration: Munich Security Conference. *General population in France, Germany, Italy, Poland, Sweden, and the United Kingdom.
Ein Grund dafür ist, dass sie starke Zweifel daran haben, dass Regierungen und Unternehmen, insbesondere ausländische, fähig und willens sind, ihre Daten sicher zu verwahren. Während die Befragten in einigen Ländern auch ihren eigenen Regierungen und Unternehmen misstrauen, ist der Mangel an Vertrauen gegenüber Akteuren aus anderen europäischen Staaten deutlich ausgeprägter.
Data: Kekst CNC, commissioned by the Munich Security Conference. Illustration: Munich Security Conference. * General population in France, Germany, Italy, Poland, Sweden, and the United Kingdom. Excluding “don’t know” and neutral responses.
2. Tiefes Misstrauen gegenüber Partnern
Während EuropäerInnen Organisationen aus dem europäischen Ausland misstrauen, werden US-Technologiekonzerne laut dem ehemaligen schwedischen Premierminister Carl Bildt in einigen europäischen Ländern sogar als "tödliche Bedrohung für die europäische Lebensweise" dramatisiert. Unsere Umfrage bestätigt, dass amerikanischen Technologiefirmen – und sogar noch mehr der US-Regierung – in der Tat stark misstraut wird.
Etwa die Hälfte der EuropäerInnen ist ebenfalls der Meinung, dass ihre jeweiligen Länder zu sehr von Technologieanbietern aus dem Ausland abhängig sind, sogar aus dem europäischen Ausland. 42 Prozent der Befragten sehen die Abhängigkeit von EU-Nachbarn als zu groß. Etwa die Hälfte sieht eine übermäßige Abhängigkeit von den USA oder China.
Data: Kekst CNC, commissioned by the Munich Security Conference. Illustration: Munich Security Conference. *General population in France, Germany, Italy, Poland, Sweden, and the United Kingdom.
3. Vertrauensdefizite abbauen
Insgesamt ergab unsere Umfrage, dass EuropäerInnen den Akteuren, die den digitalen Raum "betreiben" und regulieren, nicht vertrauen. Wenn Europa und die USA im digitalen Bereich erfolgreich zusammenarbeiten wollen, müssen sie dieses Vertrauensdefizit abbauen.
Erstens muss Europa vor seiner eigenen (digitalen) Tür kehren. Die EU und europäische Regierungen konnten ihre BürgerInnen bisher nicht davon überzeugen, dass sie vertrauenswürdige Regeln und Leitplanken für digitale Technologien aufstellen können. Unsere Umfrage zeigt, dass 43 Prozent der EuropäerInnen glauben, dass Europa bei technologischen Innovationen noch weiter hinter die USA und China zurückfallen wird. Um das Gegenteil zu beweisen, muss Europa ein produktives Umfeld für Innovationen in digitalen Technologien schaffen und mit den USA kooperieren.
Data: Kekst CNC, commissioned by the Munich Security Conference. Illustration: Munich Security Conference. * General population in France, Germany, Italy, Poland, Sweden, and the United Kingdom. Excluding “don’t know” responses.
Zweitens werden die transatlantischen Partner zusammenarbeiten müssen, um den Vertrauensmangel auf dem Weg zu einer gemeinsamen digitalen Agenda zu überwinden. Eine transatlantische Technologieagenda muss über das Bekenntnis zu gemeinsamen Werten hinausgehen und Mechanismen beinhalten, die der Öffentlichkeit versichern, dass sie auf Transparenz und Zurechenbarkeit aufgebaut ist.
Ob die transatlantischen Partner dies leisten können, ist ein Lackmustest für die Fähigkeit der EU und USA, in Zusammenarbeit die drängenden Probleme von heute und morgen zu lösen.