

MSC stellt neuen Report zu deutscher Außen- und Sicherheitspolitik vor
Am 1. Oktober 2020 veröffentlichte die Münchner Sicherheitskonferenz im Rahmen einer Veranstaltung im Deutschen Historischen Museum in Berlin die Munich Security Report Special Edition „Zeitenwende | Wendezeiten“ über die aktuelle Lage der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Im Anschluss daran diskutierten vier Abgeordnete des Deutschen Bundestags den Report auf dem Redaktionsschiff Pioneer One.
Wir befinden wir uns inmitten einer weltpolitischen Zeitenwende, in der sich seit Jahrzehnten bestehende vermeintliche außenpolitische Gewissheiten der Bundesrepublik auflösen. Wir brauchen also „Wendezeiten für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik.“ Diese These steht im Mittelpunkt der Sonderausgabe des Munich Security Report „Zeitenwende | Wendezeiten“, die Botschafter Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) am 1. Oktober 2020 im Deutschen Historischen Museum in Berlin vor über 100 Gästen präsentierte. Diese seit vielen Monaten erste physische Veranstaltung der MSC fand unter strengen Hygienebestimmungen statt.
Sechs Jahre nach dem „Münchner Konsens“ der Münchner Sicherheitskonferenz 2014, bei dem Joachim Gauck, Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen betonten, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernehmen und sich „früher, entschiedener und substanzieller“ engagieren müsse, habe sich die weltpolitische Lage radikal verändert, so Wolfgang Ischinger. Kennzeichnend für das neue Umfeld seien die Schwächung einer über Jahrzehnte aufgebauten internationalen Ordnung, der Aufstieg Chinas, die Rückkehr globaler Machtpolitik, und die Infragestellung multilateraler Prinzipien, die sich über global akzeptierte Normen hinwegsetze. In dieser weltpolitischen Zeitenwende bräuchten wir eine Wendezeit und ein Deutschland, das sich als Europas „Möglich-Macher-Macht“ begreift, als die „Enabling Power“ der EU. Die EU müsse sich zu einem global handlungsfähigen Akteur entwickeln. Dazu bedürfte es unter anderem der Abschaffung des nationales Vetos bei außenpolitischen Entscheidungen.
Im Anschluss an die Vorstellung des Reports durch Tobias Bunde, Direktor des Bereichs Research & Policy der MSC, moderierte Botschafter Boris Ruge, Stellvertretender Vorsitzender der MSC, eine Diskussionsrunde mit Expertinnen und Experten aus wichtigen Partnerstaaten. Teilnehmende waren Sławomir Dębski, Direktor des Polish Institute of International Affairs, Kadri Liik, Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations, Robin Niblett, Direktor von Chatham House, und Nathalie Tocci, Special Advisor für den Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Direktorin des Istituto Affari Internazionali.
In der Diskussion war man sich zwar einig, dass Deutschland erkannt habe, dass es Verantwortung übernehmen muss, aber die Teilnehmenden hatten unterschiedliche Meinungen dazu, ob Deutschland auch bereit sei, das konkret umzusetzen. Alle Anwesenden betonten, dass Europa geschlossen auftreten müsse und die entsprechenden Mittel benötige, um mit den neuen weltpolitischen Realitäten umzugehen.
Hier können Sie die Veranstaltung nochmal in voller Länge sehen:
Wendezeiten für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik
Dass die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik Wendezeiten braucht, wurde auch am Abend bei der Debatte zwischen Mitgliedern des Deutschen Bundestages auf dem Redaktionsschiff von Media Pioneer, der Pioneer One, deutlich. Dort wurden die Kernthemen des Reports von vier Abgeordneten diskutiert: Franziska Brantner, europapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, Katja Leikert, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Moderiert wurde das Gespräch von Gordon Repinski, stellvertretender Chefredakteur von Media Pioneer.
Es wurde die Frage gestellt, inwieweit die Versprechen des „Münchner Konsenses“ von 2014 eingelöst worden sind. Die Bilanz reichte von der Feststellung, dass der Konsens nicht mehr existiere, bis hin zu der Wertung, dass es „mehr Licht als Schatten“ bei der Umsetzung der Ziele gebe.
Nachfolgend können Sie die Aufzeichnung der parlamentarischen Diskussionsrunde nochmal in voller Länge anschauen:
In beiden Veranstaltungen wurde deutlich, dass es Diskussionsbedarf über die Rolle Deutschlands und Europas inmitten der weltpolitischen Zeitenwende gibt. Die Münchner Sicherheitskonferenz hofft, dass der Bericht diese Diskussion befördern kann.
Über Sonderausgaben des Munich Security Report
Die Sonderausgaben des Munich Security Report komplementieren den jährlich im Februar erscheinenden Munich Security Report und widmen sich jeweils einem bedeutenden und aktuellen Thema der internationalen Außen- und Sicherheitspolitik. Die vorliegende Sonderausgabe „Zeitenwende | Wendezeiten“ zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist die erste Veröffentlichung dieser Publikationsreihe, der zukünftig in unregelmäßigen Intervallen weitere Sonderausgaben folgen werden.