

MSC richtet Roundtable zu europäischer Verteidigung aus
Zwei Wochen nach dem NATO-Gipfel in Madrid und etwa einen Monat nach den Parlamentswahlen in Frankreich veranstaltete die Münchner Sicherheitskonferenz einen Roundtable zu europäischer Verteidigung in Paris. Die Veranstaltung brachte wichtige Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zusammen, um die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine für die europäische Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung innerhalb des NATO-Bündnisses sowie der Europäischen Union zu diskutieren.
Am 13. Juli 2022 veranstaltete die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) einen Roundtable zu europäischer Verteidigung in Paris, an dem rund 40 Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sowie Expertinnen und Experten von Regierungen, aus Parlamenten, Streitkräften, Think Tanks und dem Privatsektor teilnahmen. Vor dem Hintergrund des russischen Krieges in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die europäische Sicherheitsordnung setzten sich die Teilnehmenden, moderiert von dem MSC-Vorsitzenden Christoph Heusgen und dem stellvertretenden Vorsitzenden Boris Ruge, mit der Stärkung europäischer Verteidigungskooperationen und der Zusammenarbeit zwischen der EU und NATO als auch mit den Beiträgen der europäischen Staaten zur kollektiven Verteidigung in der NATO auseinander. Darüber hinaus erörterten die Teilnehmenden, was das nukleare Säbelrasseln Russlands für die Nuklearstrategien der NATO-Nuklearstaaten und der Allianz insgesamt bedeutet, mit einem spezifischen Fokus auf Frankreich.
Die Ergebnisse des Roundtables zu europäischer Verteidigung werden in die „transatlantic to-do list“ einfließen, welche die MSC infolge des Munich Leaders Meeting in Washington D.C. im Mai 2022 veröffentlichte.
Die NATO nach Madrid: Ein entscheidender Moment für die europäische Sicherheit?
Die Teilnehmenden diskutierten die ihrer Ansicht nach fundamentalen Veränderungen der europäischen Sicherheitsordnung, welche durch den Krieg Russlands in der Ukraine verursacht wurden. Der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmenden zufolge zeigte der NATO-Gipfel nicht nur ein grundlegendes Überdenken der Beziehungen zu Russland, sondern brachte auch wichtige Beschlüsse zur Stärkung der Allianz angesichts weiterer sicherheitspolitischer Herausforderungen, wie China und den Auswirkungen des Klimawandels, auf den Weg. Zwar waren sich die Teilnehmenden einig, dass sich die Allianz in die richtige Richtung bewege, jedoch wurden ebenso Befürchtungen geäußert, dass die Bündnispartner nicht schnell und entschlossen genug handelten. Mehrere Teilnehmende betonten die Dringlichkeit und Notwendigkeit, die in Madrid vereinbarten Maßnahmen rasch umzusetzen. Die Diskussionen befassten sich des Weiteren mit der NATO-Russland-Grundakte und der Frage, ob sich die transatlantischen Partner dieser offiziell entziehen sollten. Die Teilnehmenden stimmten überein, dass die in dem Dokument erwähnten Selbstbeschränkungen durch die Verletzung des Grundgedankens und der wichtigsten Normen der Grundakte durch Russland ohnehin bereits hinfällig geworden seien. Darüber hinaus äußerten mehrere Teilnehmende ihre Besorgnis über eine zunehmende „Ukraine-Müdigkeit“ in der Öffentlichkeit, angesichts der steigenden Energie- und Ernährungsunsicherheit. Solch eine „Müdigkeit“ könne Russland in die Hände spielen und die Haltung der transatlantischen Partner gegenüber Russland untergraben.
A European Zeitenwende? Der Umbau der europäischen Streitkräfte für eine Ära des wachsenden strategischen Wettbewerbs
Die Diskussionen über die Auswirkungen der europäischen Zeitenwende auf die europäische Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung, die europäische Verteidigungsindustrie und die Partnerschaft zwischen der EU und NATO begannen mit einer ernüchternden Feststellung: Fünf Jahre nachdem die MSC zusammen mit McKinsey und dem Centre for International Security der Hertie School einen Bericht über die europäischen militärischen Fähigkeiten veröffentlichte, sind keine großen Fortschritte im Hinblick auf die Verringerung der militärischen Fähigkeitslücken und des Fragmentierungsgrades zu erkennen. Die Ankündigung mehrerer europäischer Staaten, ihre Verteidigungsausgaben nach jahrzehntelanger Unterfinanzierung zu erhöhen, bietet jedoch nun den Staaten die Möglichkeit, Lücken zu schließen, in gemeinsame Planung und Beschaffung zu investieren und Innovationen zu fördern.
Mehrere Teilnehmende betonten, dass die Analysen und Instrumente zur Bewältigung der Herausforderungen vorlägen, es aber am politischen Willen der Regierungen fehle, die europäische Zusammenarbeit zu verbessern. Stärker vernetzte und leistungsfähigere europäische Streitkräfte wurden von den Teilnehmenden als unabdingbar angesehen, da sie den europäischen Beitrag zur NATO effektiver gestalten würden. Bezüglich des von Deutschland angekündigten Erwerbs von F-35-Kampfjets wurde in den Diskussionen auch die grundsätzliche Frage behandelt, ob die Europäer ihre derzeitigen Lücken durch den Erwerb von Maschinen und Material von US-Unternehmen schließen oder lieber in die europäische Verteidigungsindustrie investieren sollten.