

Rückblick auf die MSC 2022: Klima und Energie
Die vielfältigen Bedrohungen für die menschliche und internationale Sicherheit und die schwerwiegenden geopolitischen Auswirkungen des Klimawandels gehörten zu den zentralen Themen verschiedenster Veranstaltungen im Rahmen der 58. Münchner Sicherheitskonferenz. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Dringlichkeit der Klimakrise und die eklatante Kluft zwischen Rhetorik und Handeln, der Zusammenhang zwischen Klima und Sicherheit, die Beziehung zwischen Ungleichheit und Klimawandel sowie die Bedeutung und die geopolitischen Herausforderungen für kollaborative Ansätze zur Bekämpfung des Klimawandels.
Vom 18. bis 20. Februar 2022 trafen sich EntscheidungsträgerInnen aus aller Welt zur 58. Münchner Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof, um über die drängendsten Sicherheitsherausforderungen unserer Zeit zu diskutieren. Seit einigen Jahren steht dabei die Verknüpfung zwischen Klima und Sicherheit ganz oben auf der Agenda der Münchner Sicherheitskonferenz; in diesem Jahr widmeten sich drei Sessions im Hauptprogramm explizit dem Klimawandel, ergänzt durch zahlreiche Side Events. Mit Blick darauf, dass die Folgen der globalen Erderwärmung themen- und regionenübergreifend von zentraler Bedeutung sind, wurden klima- und energiepolitische Aspekte in der gesamten Konferenzagenda verankert. Dies wurde in Sessions wie zur Sahelzone, dem Horn von Afrika, Sicherheit in der Arktis oder Ernährungsunsicherheit deutlich.
Auf sechs klima- und energiepolitische Aspekte wurde in den Diskussionen wiederholt Bezug genommen:
1. Dringlichkeit und Gegenwärtigkeit der Klimakrise und der Nexus zwischen Klima und Sicherheit
Teilnehmende unterschiedlicher Sessions wiesen auf die akuten Auswirkungen hin, die der Klimawandel bereits auf die menschliche und internationale Sicherheit habe. Beispiele beinhalteten die steigende Anzahl an Personen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind oder sich gezwungen sehen, ihre Heimat aufgrund der Zerstörung ihres Lebensraums zu verlassen. Die Panels zu den Entwicklungen in der Sahelzone und am Horn von Afrika zeigten, wie der Klimawandel als Verstärker von Konflikten wirkt und Ressourcenknappheit Spannungen innerhalb und zwischen Ländern befeuert. Da die "schleichende Klimakrise einen Punkt des planetaren Notstands" erreicht hat, wie es Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, auf dem Klima-Panel im Hauptsaal ausdrückte, wird auch der Nexus zwischen Klima und Sicherheit immer sichtbarer.
Mit Blick darauf, dass die Auswirkungen des Klimawandels in zahlreichen Teilen der Welt bereits bittere Realität sind, war ein wiederkehrendes Argument auf der Konferenz, dass sich die internationale Gemeinschaft stärker auf die Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels konzentrieren müsse. Dazu gehört auch die Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung für Anpassungskosten in Entwicklungsländern.
2. Anhaltende Lücke zwischen Rhetorik und Umsetzung
Trotz des weit geteilten Bewusstseins für die Bedrohungen durch den Klimawandel unter Regierungen und – wie es der diesjährige Munich Security Index zeigt – in der Öffentlichkeit, werden die Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung, die im Zuge von COP26 im November letzten Jahres einmal mehr bekräftigt wurden, weitgehend verfehlt. Zusammengefasst wurde diese Lücke zwischen Rhetorik und Umsetzung von einer Teilnehmerin mit den Worten: "Die Herausforderung des Klimawandels steht auf der Tagesordnung, aber das bedeutet nicht, dass wir auf dem Weg sind, sie zu lösen".
Sowohl US-Außenminister Anthony Blinken und US-Klimasondergesandte John Kerry unterstrichen, dass COP26 als "Startrampe" und nicht als „finishing moment“ auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen dienen müsse – und die Zeit für "business as usual" vorbei sei.
3. Beziehung zwischen Ungleichheit und Klimawandel
Das Kapitel zur globalen Ungleichheit im diesjährigen Munich Security Report verdeutlicht die Wechselwirkung zwischen Ungleichheit und Klimawandel. Auf dieses Verhältnis gingen auch die Teilnehmenden der Konferenz immer wieder ein. Während die ärmsten Länder oft am anfälligsten für die Auswirkungen des Klimawandels sind, verfügen sie zugleich über die geringsten Ressourcen für Anpassungsstrategien. Gleichzeitig erschwert es dieser Mangel an Ressourcen den einkommensschwachen Ländern, eine grüne Wende zu verfolgen, was wiederum den globalen Kampf gegen den Klimawandel schwächt.
Da die derzeitigen Investitionen in grüne Technologien überwiegend in wohlhabenden Ländern getätigt werden, verschärft sich dieser Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Klimakrise weiter. Für den Globalen Süden unterminiert die ungleiche Transformation nachhaltige Wachstumsperspektiven und schwächt die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel. A.K. Abdul Momen, Außenminister von Bangladesch, betonte auf dem Klima-Panel im Hauptsaal, dass die wohlhabenden Länder mit finanziellen Mitteln und dem Transfer von Technologie und Know-how Schwellen- und Entwicklungsländer unterstützen müssen, um dem entgegenzuwirken.
4. Keine "one size fits all" Lösung
Sprecherinnen und Sprecher unterschiedlicher Sessions betonten, dass es angesichts der vielfältigen Energiemixe und Handelsbeziehungen der Staaten keine "Einheitslösung" für den Übergang hin zu einer grünen Wirtschaft gebe. Dies müsse bei der Entwicklung von Unterstützungsprogrammen und beim Aufbau von Energie- und Klimapartnerschaften entsprechend berücksichtigt werden.
Kontrovers diskutiert wurde die Frage nach der Rolle von Gas als Übergangsenergie. Annalena Baerbock, deutsche Außenministerin, argumentierte in der Townhall zu Klimadiplomatie, dass Gas zwar als Brücke dienen kann, "die Brücke jedoch ein Ende braucht".
In diesem Zusammenhang wiesen die Teilnehmenden, insbesondere aus dem privaten Sektor, die Vorstellung einer "einfachen" technologischen Lösung für den Klimawandel zurück. So bestehe die größte Herausforderung weniger in der Entwicklung neuer Technologien als vielmehr darin, die entsprechende Infrastruktur aufzubauen, um bestehende Technologien in der Breite einsetzen zu können.
5. Bedeutung von internationaler Kooperation und multistakeholder Ansätzen
Es bestand breiter Konsens darüber, dass umfassende Zusammenarbeit entscheidend auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen sei. Dies hat sowohl eine internationale als auch nationale Dimension. Zahlreiche Teilnehmende, darunter auch COP26-Präsident Alok Sharma, betonten, dass Regierungen die Unterstützung der lokalen Bevölkerung gewinnen müssten, um die Klimaagenda voranzutreiben. Um solide Mehrheiten für eine grüne Politik zu bilden, muss der Mehrwert des Klimaschutzes – ökologisch, wirtschaftlich und sozial – den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt und von ihnen gespürt werden.
Über die innenpolitische Arena hinaus muss die grüne Transformation auch auf globaler Ebene auf inklusive und faire Weise erfolgen, um nachhaltig wirken zu können. Dies beinhaltet, dass wirtschaftlich starke Länder ihre Zusage einhalten, Entwicklungs-länder mit jährlich 100 Milliarden US-Dollar internationaler Klimafinanzierung zu unterstützen und den Transfer von Know-how und Technologie zu fördern, wie in Punkt drei kurz skizziert.
In Bezug auf die breitere internationale Klimakooperation plädierte der US-Klimasondergesandte John Kerry wiederholt dafür, die zwanzig größten CO2-Verursacher – gemeinsame verantwortlich für 80 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen – zusammenzubringen. Aufgrund der geopolitischen Spannungen zwischen den entsprechenden Ländern, insbesondere China und den USA, wird eine substanzielle Kooperation im Klimabereich jedoch schwer zu erzielen sein. Grundsätzlich könnten marktbasierte Dynamiken einen "Wettlauf an die Spitze" anregen, in dem die Länder profitieren, die auf grüne Technologien setzen und Marktführerschaft erzielen. Angesichts des geopolitischen Klimas stehen faire Wettbewerbsbedingungen jedoch unter Druck und protektionistische Tendenzen drohen, die grüne Transformation zu erschweren.
Vor dem Hintergrund der internationalen Spannungen unterstrichen die Panellisten die Notwendigkeit breiter, innovativer Koalitionen, die verschiedene Regierungsebenen, internationale Institutionen, Industrie und Zivilgesellschaft umfassen.
6. Alte und neue Geopolitik von Klima und Energie
Angesichts der Russland-Ukraine-Krise und den explodierenden Energiepreisen in Europa lag der geopolitische Fokus der Klima- und Energiesessions auf der Abhängigkeit Europas von russischen Gasimporten. Tenor der US-amerikanischen und europäischen Stimmen war, dass die europäische Energiesicherheit verbessert werden müsse, unter anderem über höhere Gasspeicherbestände und die Diversifizierung der Energieimporte weg von Russland. Investitionen in Erneuerbare Energien und eine Verbesserung der Energieeffizienz hätte somit auch einen geopolitischen Mehrwert, wie etwa in der Rede des britischen Premierministers Boris Johnson und der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock betont wurde: "Es ist so schwierig für uns, starke Sanktionen auszusprechen, weil wir, insbesondere mein Land, stark von fossilen Importen aus Russland abhängig sind."
Ungeachtet dieser Abhängigkeiten im Bereich fossiler Brennstoffe hoben die Teilnehmenden hervor, dass die Energiewende selbst ein enormes Disruptionspotenzial mit sich bringe. Dies wird auch im Kapitel zur Geopolitik der Energiewende des Munich Security Report 2021 analysiert. So wird in Verbraucherländern im Zuge der Energiewende mit einer größeren Volatilität der Energiepreise gerechnet, was die öffentliche Unterstützung für grüne Politik empfindlich treffen kann. Und während die Macht der Petrostaaten langfristig schwindet und damit die Lebensfähigkeit ihrer sozioökonomischen Modelle in Frage gestellt wird, wird sich die Position kostengünstiger Anbieter fossiler Brennstoffe kurz- bis mittelfristig stärken, da sich das globale Angebot in ihren Händen konzentrieren wird.
Neben der "alten" Geopolitik fossiler Brennstoffe drehten sich die Diskussionen um neue Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen. Da China eine führende Position bei der Herstellung grüner Technologien einnimmt und die Lieferketten für Mineralien wie Seltene Erden dominiert, konzentrierte sich die Debatte auf die Rolle Pekings. Während einige Teilnehmende die transatlantischen Partner davor warnten, "die Abhängigkeit von Russland durch eine Abhängigkeit von China zu ersetzen", wiesen andere darauf hin, dass diese Abgängigkeiten längst Realität seien und es schwer werde, sie kurzfristig zu reduzieren.
Die oben skizzierten sechs Aspekte unterstreichen, wie wichtig es ist, den zunehmenden Bedrohungen durch den Klimawandel mit einer ambitionierten, inklusiven und kooperativen Klimapolitik zu begegnen. Angesichts des Nexus von Klima und Sicherheit und der vielfältigen geopolitischen Implikationen der Energiewende werden Klima und Energie auch weiterhin im Mittelpunkt der Agenda der MSC stehen. Denn, wie es John Kerry formulierte, wir haben in der Tat "some big things to tackle".
Über die Autorin
Julia Hammelehle

Julia Hammelehle
Policy Advisor
Schwerpunktthemen: Politik und Institutionen der EU, Beziehungen zwischen EU und Großbritannien, deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, transatlantische Beziehungen, Energieaußenpolitik
Julia Hammelehle ist Policy Advisor bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Vor ihrer Arbeit bei der MSC studierte sie Internationale Beziehungen in Dresden und Boston und absolvierte einen Master in EU Politics an der London School of Economics and Political Science (LSE). Während ihres Studiums sammelte sie u.a. im Britischen Unterhaus, im Deutschen Bundestag, dem Baden-Württembergischen Landtag, sowie dem Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Arbeitserfahrung.