

Wege zur Deeskalation – Das MSC Core Group Meeting in Doha
In Doha richtete die Münchner Sicherheitskonferenz am 28. und 29. Oktober das zweite zweier aufeinanderfolgender Core Group Meetings aus. Mehr als 60 hochrangige Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie Expertinnen und Experten aus dem Nahen und Mittleren Osten, Afrika, Europa sowie aus weiteren Regionen trafen sich, um aktuelle Krisen, ihre sicherheitspolitischen Implikationen und Wege zur Deeskalation zu diskutieren. In den Tagen zuvor hatte bereits ein Core Group Meeting in Kairo stattgefunden. Beide Treffen markieren den Beginn einer fortlaufenden Veranstaltungsreihe in der Region.
Mit zunehmenden Spannungen und sich verschärfenden Konflikten in Regionen wie Syrien, Jemen und der Straße von Hormus verschlechtert sich die Sicherheitslage im Nahen und Mittleren Osten weiter. Die Internationalisierung der Konflikte, die neben regionalen auch internationale Akteure umfasst, trägt entscheidend zu der Zunahme der Gewalt bei. Diese Herausforderungen sind darüber hinaus zunehmend verwoben mit Sicherheitsdynamiken auf dem afrikanischen Kontinent. Aus diesem Grund entschied sich die MSC dazu, zwei direkt hintereinander stattfindende Core Group Meetings auszurichten: das erste in Kairo, Ägypten; das zweite in Doha, Katar. Zusammen markieren die Treffen den Beginn einer Reihe, die in der Türkei und Saudi-Arabien fortgesetzt werden wird.
Über 60 Teilnehmende kamen in Doha zusammen. Unter den vielen hochrangigen Entscheidungsträgerinnnen und -trägern aus der Region waren der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani, der Premierminister Katars, Scheich Abdullah bin Nasser bin Khalifa Al-Thani sowie der Außenminister Katars, Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani, Irans Außenminister Dschawad Sarif, Omans Außenminister Yousuf bin Alawi bin Abdullah, der Präsident der Autonomen Region Kurdistan, Nechirvan Idris Barzani, sowie die Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman. Das Core Group Meeting in Doha wurde zusammen mit der Regierung Katars ausgerichtet und durch Katars Außenministerium sowie die Arabische Liga unterstützt.
Vertrauensbildung statt Misstrauen: Deeskalation aus der Region heraus?
Ein großer Teil der Diskussionen erörterte Möglichkeiten, wie die Deeskalation zwei der blutigsten Konflikte im Nahen und Mittleren Osten – Syrien und Jemen – gefördert sowie Stabilität in einer zunehmend von Misstrauen und Militarisierung geprägten Region geschaffen werden kann. Deutlich wurde, dass sich die Intensität der Konflikte aufgrund des Zustroms an Waffen in die Region stetig erhöht.
Teilnehmende teilten das Bedauern über das Fehlen starker regionaler Organisationen, unter anderem mit Blick auf ihre Funktion hinsichtlich gegenseitiger Vertrauensbildung. Während eine mögliche Vermittlerrolle für externe Akteure wie die USA, EU und China anerkannt wurde, gab es gleichzeitig eine breitere Übereinstimmung darin, dass langfristige Lösungen für die regionale Stabilität nur von den entsprechenden Ländern selbst entwickelt werden können. Unterschiedliche Ansätze zur Förderung vertrauensbildender Maßnahmen wurden diskutiert, darunter die Bekräftigung der Prinzipien von Souveränität und Nichteinmischung, das Schaffen von Dialogformaten zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie das Treffen von Vereinbarungen für den Schutz kultureller Stätten während Konflikten, orientiert an den Abmachungen während der Kriege auf dem Balkan. Der Helsinki-Prozess, der während des Kalten Krieges zur Gründung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) führte, wurde als ein Beispiel gelungener Deeskalation in Zeiten höchster Spannungen genannt. Jedoch wurde angemerkt, dass aufgrund der geopolitischen Konflikte in der Region, bei gleichzeitig steigendem innerstaatlichem sozio-ökonomischen Druck, dieser Prozess im Nahen und Mittleren Osten schwieriger als zu Zeiten der KSZE sein könnte.
Mit Blick auf die anhaltenden Konflikte in Syrien und Jemen bemängelten die Teilnehmenden die Unfähigkeit Europas und anderer internationaler Akteure, die blutigen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre zu stoppen. Botschafter Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der MSC, unterstrich diesen Punkt: "Der Fall Syrien hat gezeigt, dass es keine Option mehr ist, nur von der Seitenlinie zuzuschauen." Europäische Vertreter stimmten zu und betonten die Notwendigkeit einer europäischen Strategie für die Region, während sie jedoch gleichzeitig Skepsis äußerten, dass dies passieren wird.
Energie- und Cybersicherheit: Potential für Kooperation?
Neben dem Hauptprogramm des Core Group Meetings richtete die MSC in Doha zwei Roundtable zu den Themen der Energie- und Cybersicherheit aus. Damit stellten beide Diskussionsrunden mögliche Felder für stärkere zwischenstaatliche Kooperation in der Region in den Fokus. Der Cyber Security Summit war Teil des Eröffnungsprogramms der QITCOM, der Qatar IT Conference and Exhibition. "Vertrauen ist die Währung der Diplomatie – und die Währung im Cyberspace ist ebenso Vertrauen", sagte Ischinger und unterstrich damit das wiederkehrende Thema des Core Group Meetings. Während des Roundtables diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika ihre regionalspezifischen Herausforderungen im Cyberraum. So wurden zum Beispiel Cyberattacken, die die Energieinfrastruktur im Nahen und Mittleren Osten – mit globalen Konsequenzen – zum Erliegen bringen könnten, als eine besondere Bedrohung herausgestellt. Als weitere Punkte wurden die Notwendigkeit, Problembewusstsein zu schärfen, sowie die Dimension von Human Cyber Security betont. Vorschläge für regionale Kooperation im Feld der Cybersicherheit beinhalteten das Einrichten von "cyber commands" innerhalb der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union, um die Mitgliedsstaaten in der Bekämpfung gemeinsamer Bedrohungen zu unterstützen.
Die Diskussionen des parallelen Energy Security Roundtables konzentrierten sich auf die jüngsten Entwicklungen bezüglich der Meerenge von Hormus und der Angriffe auf saudi-arabische Ölanlagen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Europa brachten ihre Sorge über die aktuellen Krisen zum Ausdruck und betonten die Abhängigkeit von der Energiesicherheit und Freiheit der Schifffahrt in der Region. Es wurde bemerkt, dass weder der Golfkooperationsrat noch die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) derzeit eine effektive Rolle in der Schlichtung von internationalen Streitigkeiten im Bereich der Energiesicherheit einnimmt. Die Initiative "Hormuz Peace Endeavor", vorgeschlagen von Iran während der UN-Generalversammlung, wurde als Ausgangspunkt für eine Deeskalation des Konflikts diskutiert.
Vorangegangenes Core Group Meeting in Kairo: Kooperation und Annäherung
Vor dem Treffen in Doha hatte die MSC bereits zu einem Core Group Meeting vom 26. bis 28. Oktober in Kairo eingeladen, das von der ägyptischen Regierung mit ausgerichtet wurde. Zentrale Punkte des Kairoer Core Group Meetings waren Herausforderungen im Bereich der regionalen Sicherheitskooperation, insbesondere im Hinblick auf die Situation am Horn von Afrika, der Instabilität in Libyen, dem Sudan und der Sahelzone sowie mögliche außenpolitische Kooperationsfelder arabischer und afrikanischer Staaten. Viele der Diskussionspunkte aus Kairo wurden in Doha erneut aufgegriffen.