

Auf der Suche nach einer gemeinsamen Vision
Ein Bericht von der Münchner Sicherheitskonferenz 2023
Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) fand vor dem Hintergrund der verstärkten Bemühungen autokratischer Staaten statt, die internationale Ordnung zu revidieren: von Russlands Krieg gegen die Ukraine bis hin zu Chinas stillschweigender Unterstützung dessen und den eigenen Versuchen, eine Einflusssphäre in Ostasien zu etablieren. Derweil sind viele Staaten des "Globalen Südens" unzufrieden mit dem Status Quo und weigern sich, Russlands fundamentalen Verstoß gegen die UN-Charta klar zu verurteilen.
In München wollten die Staats- und Regierungschefs der liberalen Demokratien diesem Revisionismus die Stirn bieten, ihr Engagement für einen Sieg der Ukraine bekräftigen und darüber diskutieren, wie die internationale Ordnung neu ausgerichtet werden kann, um die dahinterstehende Koalition zu vergrößern. Diese Spezialausgabe des Munich Security Briefs fasst die wichtigsten Ergebnisse der Konferenz zusammen.
Inhalt
Der Munich Security Report erscheint auf englischer Sprache.
Die MSC 2023 war die erste unter dem Vorsitz von Christoph Heusgen. Nach Jahren der Pandemie markierte sie die entschiedene Rückkehr zur Diplomatie von Angesicht zu Angesicht. Neben einer Rekordzahl von bilateralen und multilateralen Treffen, fand sich auch die bislang größte Delegation des US-Kongresses in der 60-jährigen Geschichte der Konferenz in München ein. Mit der höchsten Anzahl von VertreterInnen aus dem "Globalen Süden", der Geschlechterparität auf den Podien und dem Auftakt eines neuen Programms für Parlamentarierinnen stand dieses Jahr auch in Zeichen größerer Diversität. Russische und iranische VertreterInnen waren jedoch nicht anwesend, da die MSC keine Chance auf einen konstruktiven Dialog mit ihnen sah und stattdessen prominente Stimmen aus der russischen und iranischen Zivilgesellschaft einlud.
Im Anschluss an die mitreißende Auftaktrede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenskyy bekräftigten führende VertreterInnen liberaler Demokratien aus aller Welt – von Bundeskanzler Olaf Scholz über den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bis hin zu US-Vizepräsidentin Kamala D. Harris – ihre Bereitschaft, die Ukraine "so lange wie nötig" zu unterstützen und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Konferenz befasste sich auch mit den vielfältigen anderen, oft miteinander verwobenen globalen und regionalen Sicherheitsherausforderungen, darunter die Stabilität im Indopazifik und in der Sahelzone, die Klima- und Ernährungskrisen, sowie die Risiken der nuklearen Proliferation. Damit setzte die MSC ihren Auftrag fort, eine Plattform für den Austausch über die dringendsten internationalen Sicherheitsfragen zu bieten.
Die Staaten, die derzeit weder den liberalen Demokratien noch zu den autokratischen Revisionisten zuzuordnen sind, werden bei der Gestaltung der künftigen internationalen Ordnung eine entscheidende Rolle spielen. Mehrere wichtige Sessions waren daher dem "Globalen Süden" gewidmet. Das Bestreben bisher weniger beachteten Stimmen eine Plattform zu bieten fand zwar positive Resonanz, kann aber nur der erste Schritt hin zur Entwicklung einer breiter aufgestellten Vision für die internationale Ordnung sein.
Aus den Diskussionen in München lassen sich vier Kernelemente für den Weg hin zu dieser Vision ableiten: 1) eine ganze, freie und in Frieden lebende Ukraine ist Grundvoraussetzung für den Frieden in Europa und die Integrität der UN-Charta; 2) ein nachhaltiger Dialog mit den diversen Ländern des "Globalen Südens" und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe; 3) ein geopolitisches Europa, das Verantwortung für seine Sicherheit und die der eigenen Nachbarschaft übernimmt; und 4) die proaktive Einbeziehung der Öffentlichkeit bei der Ausgestaltung dieser neuen Vision.
Werfen Sie selbst einen Blick zurück auf die MSC 2023
Über Munich Security Briefs
Mit den Munich Security Briefs möchte die MSC einen Beitrag zu aktuellen Debatten über ein bestimmtes Thema im breiten Spektrum der internationalen Sicherheit leisten. Die Briefs, deutlich kürzer gehalten als der Munich Security Report, liefern einen Überblick über ein spezifisches Thema oder eine Nachlese einer MSC-Veranstaltung und analysieren politische Bedeutung und strategische Implikationen. Die Briefs geben in der Regel die Auffassung ihrer AutorInnen wieder, nicht notwendigerweise die der Münchner Sicherheitskonferenz.