

Munich Security Report 2024
Lose-Lose?
Im Zuge wachsender geopolitischer Spannungen und zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit schätzen viele Regierungen weltweit nicht mehr die absoluten Vorteile internationaler Kooperation, sondern befürchten, weniger von der Zusammenarbeit zu profitieren als andere.
Der Munich Security Report 2024 widmet sich diesen Dynamiken, die drohen, am Ende alle zu Verlierern zu machen – wenn damit nämlich Kooperation auf der Strecke bleibt, die allen nutzt, und eine Ordnung untergraben wird, die trotz ihrer offensichtlichen Mängel die besten Chancen bietet, den sprichwörtlichen Kuchen für alle zu vergrößern. Der Report regt zudem die Debatte über den schwierigen Balanceakt an, der den transatlantischen Partnern und gleichgesinnten Staaten bevorsteht: sich auf zunehmenden geopolitischen Wettbewerb einzustellen, in dem das Denken in relativen Gewinnen unvermeidlich ist, und gleichzeitig Kooperation wiederzubeleben, die Vorteile für möglichst viele Staaten bietet und ohne die inklusiveres Wirtschaftswachstum und die Suche nach Lösungen für drängende globale Probleme auf der Strecke bleibt.
Inhalt
Der Munich Security Report erscheint in englischer Sprache. Weiter unten auf dieser Seite steht jedoch eine deutschsprachige Zusammenfassung zur Verfügung.
Innerhalb der transatlantischen Gemeinschaft, in mächtigen Autokratien und im sogenannten Globalen Süden steigt die Unzufriedenheit angesichts einer aus der Sicht vieler Staaten ungleichen Verteilung der Vorteile der internationalen Ordnung. Für viele Entwicklungsländer hat die Ordnung ihr Versprechen gebrochen, den sprichwörtlichen Kuchen für alle zu vergrößern. Umfragedaten des Munich Security Index 2024 aber zeigen, dass selbst die traditionellen Verfechter der Ordnung angesichts ihrer relativ schrumpfenden Anteile am globalen Kuchen nicht mehr zufrieden sind.
Weil immer mehr Staaten ihren Erfolg im Verhältnis zu anderen definieren, droht sich ein Teufelskreis aus relativem Gewinndenken, Wohlstandsverlusten und wachsenden geopolitischen Spannungen zu entfalten. Die daraus resultierenden Dynamiken, die bereits eine Vielzahl an Politikfeldern und Weltregionen ergriffen haben, machen am Ende alle zu Verlieren. Die Kapitel des Munich Security Report (MSR) nehmen vier Weltregionen und drei Politikfelder in den Blick, in denen diese Dynamiken besonders ausgeprägt sind: Osteuropa (geschrieben von Nicole Koenig und Leonard Schütte), der Indo-Pazifik (von Paula Köhler), der Nahe und Mittlere Osten (von Amadée Mudie-Mantz and Sophie Witte) und die Sahelregion (von Isabell Kump) sowie Wirtschaft (von Leonard Schütte), Klima (von Julia Hammelehle) und Technologie (von Jintro Pauly). Die Kapitel zeigen, dass regionale Krisen und Konflikte immer deutlicher von Nullsummen-Dynamiken geprägt sind. Sie zeigen auch, dass sich die internationale Gemeinschaft, statt die offene, regelbasierte internationale Ordnung so zu reformieren, dass sie ihrem Versprechen besser gerecht wird, möglichst vielen zu nutzen, derzeit genau in die entgegengesetzte Richtung bewegt.
Die transatlantischen Partner und gleichgesinnte Staaten stehen vor einem schwierigen Balanceakt. Angesichts zunehmender geopolitischer Rivalitäten haben sie keine andere Wahl, als stärker in Verteidigung und militärische Abschreckung zu investieren und gleichzeitig Kooperation zum gegenseitigen Nutzen stärker auf politisch gleichgesinnte Staaten zu beschränken. Gleichzeitig dürfen notwendige Kurskorrekturen nicht zu einem Teufelskreis führen, in dem die Furcht vor ungleichen Gewinnen auf immer mehr Themenfelder ausgeweitet und Kooperation zum wechselseitigen Vorteil auf immer weniger Staaten beschränkt wird. Vor allem dürfen die Kurskorrekturen nicht die transatlantischen Bemühungen untergraben, Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens auf- und auszubauen und gemeinsam die bestehende Ordnung so zu reformieren, dass von ihr deutlich mehr Menschen profitieren.
Anmerkung der Redaktion: Diese aktualisierte Version des MSR ist im Vergleich zur originalen Version an ein paar wenigen Stellen angepasst. Außerdem wurden fehlerhaft dargestellte Daten auf den MSI-Länderseiten („share thinking risk is imminent“ und „share feeling unprepared”) korrigiert. Die Gesamtindexwerte waren davon nicht betroffen.
Wie vergangene Ausgaben enthält der Bericht eine Reihe exklusiver und zuvor unveröffentlichter Daten. Für den MSR 2024 hat die MSC wieder mit zahlreichen Organisationen zusammengearbeitet, darunter dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), Global Trade Alert, der International Energy Agency (IEA), dem Internationalen Währungsfonds (IMF) und dem International Institute for Strategic Studies (IISS).
Munich Security Index 2024
Mit dem Munich Security Index (MSI) haben die MSC und Kekst CNC einen Datensatz geschaffen, der jährlich Einblicke in die gesellschaftliche Risikowahrnehmungen der G7 und BRICS-Staaten ermöglicht. Der Index basiert auf Umfrageergebnissen unter etwa 1.000 Menschen pro Land und kombiniert fünf Risiko-Metriken: das Gesamtrisiko, den möglichen Schaden, den ein Risiko verursacht, seine erwartete Entwicklung über Zeit, die vermutete Eintrittswahrscheinlichkeit und die Einschätzung, wie gut das eigene Land auf das jeweilige Risiko vorbereitet ist. Der Index, der seit 2021 veröffentlich wird, zeigt zudem, wie sich Risikowahrnehmungen über Zeit verändern. Neben dem jährlichen Kernindex zu Risikowahrnehmungen enthält der MSI auch darüber hinausgehende Fragen zu sicherheitspolitisch relevanten Themen, die mitunter von Jahr zu Jahr variieren. Seit 2022 befragen die MSC and Kekst CNC nicht wie zuvor die Menschen in Russland, sondern stattdessen die Menschen in der Ukraine. Für den Munich Security Index 2022 wurde der volle Risikoindex in der Ukraine erhoben; für den Munich Security Index 2023 wurde eine Reihe ausgewählter Fragen gestellt.
Nach dem Rekordhoch der Bedrohungswahrnehmung im vergangenen Jahr verzeichnet der Munich Security Index 2024 bei 21 Risikoindikatoren insgesamt einen Rückgang, während zehn Indikatoren gestiegen sind. Die Bedrohung durch Russland und die damit verbundenen Risiken – darunter der Einsatz von Atomwaffen durch einen Aggressor und Unterbrechungen der Energieversorgung – werden zwar immer noch deutlich höher eingeschätzt als im Munich Security Index 2022, aber im Vergleich zum letzten Jahr sind sie im Risikoindex gesunken. Die Sorge angesichts nicht-traditioneller Risiken bleibt dagegen hoch. Die Menschen auf der ganzen Welt sind nach wie vor am meisten über Gefahren der Umweltzerstörung besorgt, während auch die Risikowahrnehmung von Migration als Folge von Krieg oder Klimawandel, von radikalem islamischem Terrorismus und von organisierter Kriminalität vielerorts zugenommen hat.
Der Munich Security Index 2024 ist Teil des MSR 2024 und steht hier zur Verfügung.
Munich Security Reports
Seit seiner ersten Ausgabe 2015 stellt der Munich Security Report (MSR) Daten, Analysen und Karten zusammen, die aktuelle sicherheitspolitische Themen anschaulich beleuchten. Der jährlich erscheinende Report dient als Impulsgeber für die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar und richtet sich an das Fachpublikum und die interessierte Öffentlichkeit. Sonderausgaben des MSR liefern darüber hinaus tiefergehende Analysen zu zentralen Akteuren, Regionen oder Themenfeldern.
Weiteres Material zum Munich Security Report 2024
Abbildungen (MSR ohne Munich Security Index) (1,66 MB)