
Nach dem Rekordhoch der Bedrohungswahrnehmung im vergangenen Jahr verzeichnet der MSI 2024 bei 21 Risikoindikatoren durchschnittlich einen Rückgang, während zehn Indikatoren insgesamt gestiegen sind. Fast alle Risikoindikatoren im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine sind gesunken, darunter der Einsatz von Atomwaffen durch einen Aggressor und Unterbrechungen der Energieversorgung. Während Russland im vergangenen Jahr noch für fünf G7-Länder das größte Risiko darstellte, ist dies mittlerweile nur noch für die Bürger des Vereinigten Königreichs und Japans der Fall. Für die deutschen Bürger:innen ist Russland nur noch die siebtgrößte Sorge, für die Italiener die zwölftgrößte. Auch andere wichtige Risiken sind zurückgegangen. Auffallend ist, dass Menschen in allen Ländern bis auf drei – Brasilien, Japan und Südafrika – weniger besorgt über das Risiko einer Wirtschafts- und Finanzkrise sind als im letzten Jahr. Und sowohl das wahrgenommene spezifische Risiko von Covid-19 als auch einer künftigen Pandemie im Allgemeinen ist gesunken.
Dagegen hat die Wahrnehmung nicht-traditioneller Risiken weiter zugenommen. Die Besorgnis über Massenmigration als Folge von Krieg oder Klimawandel und radikal-islamischen Terrorismus hat stark zugenommen, wenngleich dies auf Länder in Europa und Nordamerika beschränkt ist und wahrscheinlich durch die Terroranschläge der Hamas gegen Israel und den daraus resultierenden Krieg geschürt wurde. Auch die Bedrohung durch den Iran ist im Risikoindex der G7-Länder deutlich angestiegen. Cyberangriffe stehen inzwischen sowohl in China als auch in den USA an erster Stelle der Sorgen. Trotz der großen Unterschiede in der Risikowahrnehmung sind die Bürger:innen in der ganzen Welt weiterhin sehr besorgt über Umweltbedrohungen. In allen Ländern mit Ausnahme der USA steht mindestens eine der drei im Index erfassten Umweltbedrohungen auf den ersten drei Plätzen.
Der Krieg Russlands und der darüber hinaus gehende geopolitische Wettbewerb prägen nach wie vor die Sicht der Bürger:innen auf andere Länder, allerdings weniger stark als im vergangenen Jahr. Belarus, China, Iran und Russland sind die einzigen Länder, die insgesamt eher als Bedrohung denn als Verbündete gesehen werden. Russland wird weiterhin von den G7-Ländern als klare Bedrohung eingeschätzt, wenngleich sich die Sicht in allen Ländern außer Japan auf Russland leicht verbessert hat. China, Indien und Südafrika sehen Russland immer noch eher als Verbündeten denn als Bedrohung an, während Brasilien unentschieden ist. Fünf der G7-Länder haben nun eine positivere Sicht auf China als im letzten Jahr, wobei Kanada und Japan die Ausnahme bilden. Auffallend ist, dass China alle Länder außer Russland und Belarus als bedrohlicher einschätzt als im letzten Jahr. Es ist auch das einzige Land, das die USA als Bedrohung ansieht, wenn auch nur knapp. Die Ukraine, die im letzten Jahr den größten Zuwachs im Index verzeichnete, wird immer noch von allen Staaten als Verbündeter angesehen, insbesondere von den G7-Ländern, allerdings in geringerem Maße als im letzten Jahr.
Der Munich Security Index 2024 signalisiert also eine Abschwächung, aber keinen Bruch der Trends nach der russischen Invasion. Die traditionellen harten Sicherheitsbedrohungen scheinen 2022 ihren Höhepunkt erreicht zu haben, bleiben aber höher als 2021. Unter den G7-Ländern stieg beispielsweise die Bedrohung durch Russland von Platz 15 des Indexes im Jahr 2021 auf Platz 1 im Jahr 2022 und fiel 2023 auf Platz 4 zurück. Das Risiko einer nuklearen Aggression folgt einem ähnlichen Muster. In den BICS-Ländern ist die Risikowahrnehmung seit 2021 weniger volatil, was darauf hindeutet, dass die Bürger den Krieg gegen Russland weniger als Zeitenwende ansehen. Die Tatsache, dass die Wahrnehmung des Irans und Russlands gleichgeblieben ist und sich die Risikowahrnehmung Chinas sogar verbessert hat, steht ebenfalls in deutlichem Kontrast zu den Ansichten in den G7-Ländern.
Methodik
Diese Ausgabe des Index basiert auf repräsentativen Stichproben von 1.000 Personen aus jedem G7-Land, den BRICS-Ländern mit Ausnahme Russlands („BICS“) und der Ukraine. Die Gesamtstichprobe beläuft sich somit auf 12.000 Personen (Fehlertoleranz: 3.1 Prozent). Die Befragung wurde zwischen dem 24. Oktober und 16. November 2023 unter Verwendung branchenführender Online-Panels durchgeführt. Um Repräsentativität zu gewährleisten, wurden die Befragten nach Quoten für Geschlecht, Alter, Wohnsitz, formale Bildung und Einkommen ausgewählt. Die endgültigen Daten wurden dann so gewichtet, dass sie genau mit den Quoten übereinstimmten.
Die lokalen Umfragen wurden von vertrauenswürdigen und seriösen Feldforschungspartnern unter Einhaltung des Kodex der European Society for Opinion and Market Research (ESOMAR) durchgeführt. Umfragen in Autokratien sind immer mit Schwierigkeiten verbunden, da die Befragten möglicherweise nicht das Gefühl haben, dass sie ihre Meinung frei äußern können. Insbesondere die Ergebnisse aus China sollten daher mit Vorsicht interpretiert werden.
Der Index enthält auch eine Stichprobe aus der Ukraine als einem der wichtigsten Schauplätze von lose-lose Dynamiken. Die Stichprobe enthält keine Befragten von der Krim und nur eine geringe Anzahl von Befragten aus dem Donbass, aber eine beträchtliche Anzahl von ehemaligen Bewohnern des Donbass, die durch den Krieg vertrieben wurden. Die endgültigen Daten wurden dann gewichtet, um die Quoten zu erfüllen.

Munich Security Index 2024
Tobias Bunde, Sophie Eisentraut, James Johnson, Natalie Knapp, Tom Lubbock und Leonard Schütte, „Munich Security Index 2024“, München: Münchner Sicherheitskonferenz, Februar 2024.
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Lose-Lose? Munich Security Report 2024
Bibliographische Daten: Tobias Bunde, Sophie Eisentraut, and Leonard Schütte (eds.), Munich Security Report 2024: Lose-Lose?, Munich: Munich Security Conference, February 2024, https://doi.org/10.47342/BMQK9457.
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